Fallstudie: Implantate und chronische Parodontitis

Bei Patienten mit chronischer Parodontitis Implantate zu setzen, erfordert ein genau abgestimmtes Vorgehen. Besonders die Bestimmung der Risikofaktoren, die Aufklärung und aktive Einbindung der Patienten sowie ein umsichtiges Vorgehen sind dabei von großer Bedeutung für den langfristig stabilen Erfolg einer implantatprothetischen Behandlung.

Igor-Michael Borrmann, Ulrike Markmann

Der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V 2016) zufolge nimmt die Zahl der Menschen mit Parodontalerkrankungen in Deutschland weiter ab. Dennoch ist jeder zweite jüngere Erwachsene von einer parodontalen Erkrankung betroffen, eine moderate Parodontitis weisen 42 Prozent auf. Jeder Zehnte leidet an einer schweren Form der Parodontitis.

In der Altersgruppe der 65- bis 74-Jährigen ist bereits jeder Fünfte betroffen. Ab 75 Jahren haben schließlich neun von zehn Menschen eine moderate bis schwere Form einer Parodontopathie. Die weitgehende Übereinstimmung der Erreger einer Periimplantitis mit einer chronischen progressiven Parodontopathie ist nachgewiesen. Die allgemeine Prävalenz der Periimplantitis wurde von Mombelli et al. (2012) mit 20 Prozent aller Implantatpatienten und 10 Prozent aller Implantate beschrieben. Schlechte Mundhygiene, Parodontopathien, Diabetes und Rauchen stellen dabei gravierende Risikofaktoren bei der Entstehung dieser periimplantären Erkrankungen dar.

Eine Behandlung der chronischen Parodontitis muss in jedem Fall einer Implantation vorausgehen. Die anschließende Eingliederung der Patienten in ein regelmäßiges Recall-Programm scheint ein unverzichtbarer Bestandteil für eine erfolgreiche Implantatbehandlung bei Patienten mit chronischer Implantate und chronische Parodontitis Parodontitis zu sein. Eine regelmäßige Reinigung ist daher unumgänglich, da ein hoher Plaqueanteil zusätzlich das Risiko einer Periimplantitis steigert. Eine ausführliche präoperative Aufklärung ist besonders bei komplexen Fällen zwingend notwendig.

Patientenfall

Die 48-jährige Patientin stellte sich in der Praxis mit dem Wunsch vor, ihr parodontal geschädigtes Gebiss sanieren und eine festsitzende Versorgung anfertigen zu lassen. Der bisherige Behandler hatte ihr herausnehmbaren Zahnersatz empfohlen. Sie erklärte, sie habe schon seit langer Zeit Probleme mit dem Zahnfleisch, regelmäßiges Zahnfleischbluten und Knochenrückgang. Seit einem Jahr habe sie das Rauchen eingestellt.

Im Befund und in der Röntgendiagnostik waren die Zähne 11, 16, 17, 22, 24, 26, 27 sowie 47, 46, 45, 35 und 36 nicht erhaltungswürdig. Ursache hierfür war die chronische Parodontitis aufgrund schlechter Mundhygiene und starken Tabakkonsums. Nach einer professionellen Zahnreinigung und einer ausführlichen Therapiebesprechung mit der Patientin erfolgte die atraumatische Extraktion dieser Zähne. Es wurde zur besseren Planung der späteren Implantation bei reduziertem Knochenangebot ein DVT angefertigt.

Der insuffiziente Zahnersatz wurde entfernt, um die noch erhaltungswürdigen Zähne zu therapieren. Die insuffiziente Wurzelfüllung an Zahn 43 wurde revidiert, dieser Zahn mit einem Stift und die Zähne 14, 23, 25 konservierend versorgt. Ein Langzeitprovisorium über die Zähne 14 bis 25 wurde im Oberkiefer eingegliedert.

Parodontaltherapie

Im Zuge der sich anschließenden Parodontaltherapie wurde in der Anfangsphase ein Keimtest durchgeführt. Aufgrund des Testergebnisses wurde eine geschlossene Parodontaltherapie unter Gabe des van-Winkelhoff-Cocktails (3 x 500 mg/d Amoxicillin
und 3 x 400 mg/d Metronidazol) im Sinne einer Full Mouth Desinfection durchgeführt. Der Patientin wurde empfohlen, zweimal täglich eine Spülung mit 0,2-prozentiger Chlorhexidinlösung durchzuführen und die Zahnbürste zu wechseln. Die ausführliche
Motivation und Instruktion der Patientin zur besseren Mundhygiene waren Voraussetzung für die Langzeitstabilität der Mundgesundheit, die Osseointegration der Implantate und den Erhalt der eigenen Zähne sowie des Zahnersatzes.

Regelmäßige parodontale Nachbehandlungen sind stets erforderlich, um stabile Ergebnisse zu bekommen. Eine langfristige Eingliederung in ein strenges Recall-Programm (alle drei Monate) hat sich nach Abschluss der aktiven Parodontaltherapie als günstig erwiesen.

Da nur bei vorangegangener Parodontalbehandlung eine Implantation sinnvoll ist, wurde die implantologische Versorgung zwei Monate zeitverzögert durchgeführt. Die Auswahl des geeigneten Implantatsystems ist hier vor allem hinsichtlich der Hygienefähigkeit wichtig. Die Wahl fiel auf das Astra Tech Implant System, vor allem wegen seiner konischen Innenverbindung und der Möglichkeit des Platform Switching. Die Konusverbindung verhindert einen Austritt von Flüssigkeit aus dem Inneren des Implantats und reduziert dadurch das Risiko einer Periimplantitis. Das Platform Switching vergrößert den Abstand zu den Nachbarstrukturen, wodurch mehr Volumen für das periimplantäre Weichgewebe entsteht und das Risiko einer periimplantären bakteriellen Infektion gemindert wird.

Chirurgische Behandlung

Die implantatchirurgische Therapie umfasste einen beidseitigen externen Sinuslift mit zeitgleicher Insertion von jeweils zwei Implantaten. Es wurde mit autologem Knochen vermischtes Knochenersatzmaterial eingebracht und mit einer Membran gedeckt.

Im Unterkiefer wurden sechs Implantate so platziert, dass ein großes Abstützungspolygon erzielt werden konnte. Aufgrund des hohen vertikalen Knochenverlusts wurden im dritten Quadranten kurze Implantate der Längen 8 mm und 6 mm eingebracht. Die Implantation erfolgte mit einer Bohrschablone zur prothetisch und chirurgisch exakten Platzierung der Implantate.

Prothetische Behandlung

Nach einer Einheilphase von drei Monaten und der Keimreduktion durch eine gründliche professionelle Zahnreinigung erfolgte die Freilegung der Implantate im Unterkiefer. Durch die Verwendung eines Langzeitprovisoriums konnte eine ideale Bisslage erreicht und über Monate perfektioniert werden. Nach einer erfolgreichen Gerüstanprobe wurde im dritten Quadranten eine implantatgetragene Brücke auf kurzen Implantaten eingegliedert, im vierten Quadranten eine implantatgetragene Brücke mit einem mesialen Anhänger inseriert. Sechs Monate später erfolgte die Freilegung der Implantate im Oberkiefer. Eine konventionell zementierte Verbundbrücke konnte dank des systematischen Vorgehens bei der parodontalen Behandlung und der sehr guten Patientenmitarbeit eingegliedert werden. Eine Verbundbrücke zeigt sich als gute Möglichkeit, erhaltungswürdige Zähne langfristig in den Zahnersatz zu integrieren. Die Deutsche Gesellschaft für Implantologie (DGI) gab auf der Basis von sechs Studien im Jahr 2011 eine gute Prognose für die Versorgung mit einer sowohl zahn- als auch implantatgetragenen Brücke an: 70,2 bis 85,1 Prozent nach zehn Jahren. Die festsitzende Versorgung ermöglicht besonders bei Parodontitispatienten eine gute Hygienefähigkeit des Zahnersatzes.

Recall-Programm

Nach der Behandlung wurde die Patientin axiographisch vermessen. Mithilfe der so gewonnenen Messwerte und einem Zentrikregistrat wurde eine Schiene mit Eckzahnführung hergestellt, um eine übermäßige, einseitige Belastung des Kausystems langfristig zu vermeiden.

Die Patientin wurde in ein engmaschiges Recall-Programm (drei Monate) entlassen, um Entzündungen und Reinfektionen durch kritische Nachuntersuchungen, verbunden mit professioneller Reinigung, frühzeitig zu erkennen und zu therapieren. Dies diente auch der Überprüfung und Remotivation der Patientin, um eine sehr gute tagtägliche Mundhygiene zu gewährleisten. Die regelmäßige Anfertigung von Kontrollröntgenbildern ist unumgänglich und besonders wichtig zur Früherkennung von entzündlichen Prozessen.

Langzeitergebnisse

Acht Jahre postoperativ zeigte sich eine stabile Gebisssituation bei hoher Patientenzufriedenheit (Abb. 10), röntgenologisch ein kräftiger kortikaler Knochen sowie eine gute Regeneration der Knochentaschen, die besonders auch in regio 33/32 sowie in regio 14/15 nachweisbar ist.

Fazit

Die Behandlung von Patienten mit chronischer Parodontitis kann demnach bei sehr guter Vorbehandlung, engmaschigem Recall und guter Mundhygiene mit festsitzendem Zahnersatz auf Implantaten erreicht werden. Patienten mit behandelter Parodontitis haben eine nur leicht verminderte Langzeitprognose der Implantate zu erwarten. Die konsequente Extraktion nicht erhaltungswürdiger Zähne und die Behandlung von vorhandenen Entzündungen sind für eine gute Osseointegration der Implantate essentiell. Die Verwendung von kurzen Implantaten mit angemessenem Durchmesser ermöglicht bei stark reduziertem Knochenangebot eine implantatgestützte Versorgung. Die 11. Europäische Konsensuskonferenz (EuCC) liefert hier ein Update zum Umgang mit kurzen Implantaten bei reduziertem Knochenangebot. Kurze Implantate mit sechs bis acht Millimetern sind eine verlässliche Therapieoption gegenüber den Risiken bei der Anwendung von aufwendigen augmentativen Verfahren.


Quelle: Praktische Implantologie und Implantatprothetik | pip 3 | 2018